Die Franzosen sind unfreunlich, sprechen kein Englisch, verachten amerikanische und deutsche Touristen. In Frankreich wird man überfallen, ausgeraubt, betrogen. So wurden wir mehrfach belehrt und gewarnt. Die gesammelten Werke solcher Horrorgeschichten hielten uns anfangs davon ab, Frankreich als Reiseziel einzuplanen. Doch dann trafen wir Claire aus Paris während unseres italienischen Sprachkurses in Lucca (siehe Italien Seite). Sie erklärte uns die Gründe für die negative Einstellung der Franzosen, insbesondere in Paris, gegenüber Touristen aus aller Welt: Die meisten Besucher sind überheblich, ewig unzufrieden und undankbar. Und sie lud uns ohne Umschweife ein, Paris zu besuchen, in ihrem Haus zu wohnen und die stereotypischen Behauptungen zu testen. Wir verbrachten zehn Tage in Paris und eine weitere Woche im Loire Tal. Eine lange Liste an positiven Superlativen wäre nicht ausreichend, um unsere Erfahrungen mit Land und Leuten, die Freuden dieser Tage zu beschreiben. Zusammengefasst widerlegen sie sämtliche negative, oben aufgezählte Urteile.
Auf dem Weg nach Paris verbrachten wir einen Tag in Nancy. König Stanislaus von Polen erhielt die Regierungsrechte dieser Stadt von seinem Schwiegersohn König Louis XV und begann mit der Errichtung von verschwenderischen Palästen, Parkanlagen, grande Plätzen und Boulevards. Winzigen Strassen winden sich durch die restaurierte Altstadt. Die berühmten bemalten Geschäftsfronten reihen sich entlang der Strassenketten wie bunte, leuchtende Perlen. Sonnenschein und ein lachender Springbrunnen luden uns zum fürstlichen Mittagessen auf freiem Platze ein. Unten: Stanislaus' Prunkbauten und mittelalterliches Stadttor in Nancy
Diesem Vorurteil müssen wir uneingeschränkt Recht geben: Paris ist die schönste Stadt der Welt! Das prunkvolle Stadtzentrum verdankt seine Harmonie und seinen einzigartigen, freizügigen Stil den zukunftweisenden Bauplänen von Baron Haussmann. Zwischen 1852 und 1870 verwandelte der Architekt die enge, schäbige Innenstadt in eine moderne Metropole mit weiten Boulevards, eleganten Bürgerhäusern, suffizienter Kanalisation und gigantischen öffentlichen Gebäuden wie den Louvre und das Rathaus. Das Stadtbild wurde später durch angleichende Architektur ergänzt, die weiten freien und grünen Flächen dabei aber erhalten. Skyscrapers werden an den Stadtrand verbannt. Paris wuchs zu einer wohlgeformten, gut proportionierten Stadt heran, und blendet, lockt, entzückt uns heute mit verblüffender Anmut und Schönheit.
Wir genossen jede Minute im Hause von Claire, Gerard und deren zwei Kindern ca. zehn Kilometer ausserhalb des Stadzentrums. S-Bahn und Busse brachten uns zu sämtlichen Sehenswürdigkeiten - die angenehmste und billigste Art, diese Stadt zu bereisen. Nach einem anstrengenden, heissen Tag in den Strassen und Museen von Paris erholten wir uns im Schatten der Bäume in Claire's Garten, nahmen Platz am reich gedeckten Tisch und quasselten bis in die späte Nacht. Gemeinsame Ausflüge in die Innenstadt und nach Versailles gaben uns die Gelegenheit, ganz persönlichen (Ein)Führungen zu folgen. Es gibt also ganz liebevolle Menschen in Frankreich! Und wir danken Claire und Familie für ihre einzigartige Gastfreundschaft und eine wunderbare Freundschaft.
Die Wanderungen durch die endlosen Hallen des Louvre nahmen zwei halbe Tage in Anspruch. Für jeden Besuch wählten wir drei verschiedene Ausstellungen und konzentrierten unsere Aufnahmefähigkeit auf italienische Malerei und Skulpturen, flämische Meister und französische Malerei. Die Anlage und Anzahl der Ausstellungsräume im grössten Museum der Welt bedingt stetes Verlaufen und lähmende Erschöpfung. In jeder Gallerie entdeckt man ein berühmtes Kunstwerk. Das Museum verfügt über eine solch' überwältigende Sammlung von Gemälden, dass diese oft dicht gedrängt und übereinander hängen. Die Glassvitrinen zum Schutz der feinsten Stücke, wie da Vinci's Mona Lisa, reflektieren die gegenüberliegende Wand. Das moderne Musee d'Orsay, ein umgebauter Bahnhof, gibt den ausgestellten Gemälden gebührenden Platz und erlaubt dem Besucher deren Betrachtung in intimer, angenehmer Atmosphäre. Dieses Museum beherbergt die grösste Sammlung der Werke französischer Impressionisten.
Für diesen Abend hatten wir die letzten zwei Karten für ein Konzert in der Paris Opera erwerben können. Das reich verzierte Gebäude gab Anlass zu fasziniertem Staunen, das Konzert selbst (Mendelsohn's A Mid Summer Night's Dream und Beethoven's 7.) versetzte uns in euphorische Stimmung. Ein tobendes Publikum ersteigerte drei Zugaben, das Orchester schien in erstklassiger Spielwut. Ganz Paris feierte in dieser Nacht die Sonnenwende mit Musik und Tanz in der ganzen Stadt. Wir mischten uns unter die vergnügten Massen und liessen uns für weitere Stunden auf den Schwingen der höchsten Note treiben.
Wer den Eiffelturm zu Fuss besteigt, lernt die hohe Kunst und gewaltigen Dimensionen dieser Konstruktion zu schätzen. Keuschend oben angelangt entschädigten uns die Genüsse der herrlichen Sicht und kalten Drinks. Himmelsnähe ganz anderer Art suchten die Erbauer von Notre Dame, ein erhabenes Bauwerk der reinen Gothik mit fantastischen Bleiglassfenstern. Das Innere der Kirche enthält nur wenige beachtenswerte Kunstwerke, vorallem im Vergleich zu italienischen Kathedralen. Ein Spaziergang entlang der Champs Élysées vom Place de la Concorde zum Arc de Triomphe bietet die feinsten Gelegenheiten zum Einkaufen, Kaffeetrinken und Gesehenwerden.
In den guten alten Zeiten traf man sich für ähnliche Vergnügungen am Hofe von Versailles. Wir erkundeten die riesige Gartenanlage mit Claire und Gerard per Fahrrad und besuchten die königlichen Gemächer eine Woche später. Leider fiel ein Grossteil des Mobiliars den Revolutionen zum Opfer. Die überladenen Decken- und Wanddekorationen, viele Gemälde, Wandteppiche, sowie einige reich verzierte Betten, Komoden und die gewaltigen Kronleuchter konnten erhalten werden. Die Wände des 134 Meter langen Spiegelsaals, das Vorzeigestück des Sonnenkönigs, werden von 578 Spiegeln bedeckt, welche das Sonnenlicht oder die Kerzen in den riesigen Kronleuchtern reflektieren. Leider wird man beim näheren Betrachten von Details oft von rücksichtslosen Reisegruppen weitergeschoben. Trotzdem bietet die endlose Folge von Räumen und Sälen einen bezaubernden Einblick in das Leben und die Zeiten der selbstherrlichen Könige, umgeben von ihrem freudenhungrigen Hof sowie brillianten Architekten und Künstlern. Die Tage vergingen im Fluge von einer Kirche zum nächsten Museum, von einem charmanten Viertel zum anderen sehenswerten Gebäude, Springbrunnen, Monument, Platz. Paris wartet auf uns mit einer reichen Auswahl an Ungesehenem, und wir werden nicht lange auf uns warten lassen!
Oben links: Ein typischer Boulevard. Oben rechts: Arc de Triomphe.
Unten links: Deckengemälde bei Marc Chagall in der Paris Opera.
Oben rechts: Paris Opera bei Nacht. Unten links: Notre Dame. Unten
rechts: Das Louvre Museum.
Frankreich hatte uns mit der freundlichen, strahlenden Schönheit
von Paris den Hof gemacht. Während unserer Streifzüge über
die sanften Hügel und goldenen Felder, zu den Märchenschlössern
des Loire Tals verliebten wir uns mit Leib und Seele. In der lieblichen
Landschaft zwischen den Flüssen Loire und Cher erbauten die einstigen
Herrscher und noblen Herrn Zeugnisse ihrer Macht und ihres Reichtums. Die
Mehrzahl der prächtigen Burgen und Schlösser präsentieren
sich noch heute in originalem Glanz. Wir begeisterten uns für die
Geschichte der königlichen Familien, für die Intrigen, Machtkämpfe,
Vergiftungen, Liebschaften. Wir begannen unsere Bildungsreise mit dem Besuch
von Chambord (unten links), das grösste Schloss der Gegend, erbaut
von Francis I nach seiner Rückkehr aus Italien. Die Architektur des
Prunkbaus manifestiert die Begeisterung des Königs für die künstlerischen
Ideen der Renaissance.Das Design der Haupttreppe soll von Leonardo da Vinci stammen, welcher die letzten Jahre seines Lebens im nahen Amboise verbrachte. Wie eine DNA Spirale windet sich die Doppeltreppe um einen mit Fenstern versehenen Mittelstrang. Diese einzigartige Anordnung erlaubt es, dass zwei Personen zur gleichen Zeit die Treppe benutzen können ohne sich zu begegnen.
Während Chambord vom Staat verwaltet und erhalten wird, befindet sich Schloss Cherverny seit seiner Erbauung im Besitz der gleichen Familie. Aus diesem Grund findet man in den intimen Räumen die Möbel aus der Zeit Louis XIV, Goubelins in frischen Farben, originale Gemälde, Musikinstrumente, Standuhren und dekorative Stoffe von feinster Güte. Rasenflächen von Golfkursqualität und seltene alte Bäume umgeben das Schloss. Zum Besitz einiger Schlösser gehören grosse Rudel Rassehunde, welche für traditionelle, jährliche Wildschwein- und Hirschjagden gehalten werden.
Chenonceau (rechts) gilt als das schönste und meistbesuchte Schloss dieser reizenden Gegend. Das scheinbar schwerelose Gebäude verbindet die beiden Ufer des Flusses Cher. Manikürte Gärten blühen zu beiden Seiten der Eingangsbrücke. Im Schatten der überdachten Terasse eines Restaurants in der Orangerie, mit Blick über den leuchtenden Park, liessen wir uns für ein langes gourmet Mahl und den Genuss von bestem Wein nieder. Zur Freude aller Sinne!
Für die nächsten drei Nächte bezogen wir Quartier in einem reizenden Hotel in Azay le Rideau. Ein kleiner Fluss, welcher durch den schattigen Park neben dem mittelalterlichen Schloss in dieser Kleinstadt fliesst, wurde um das Gebäude angestaut und lässt es auf einem silbernen Teppich schweben (unten links). Den eindrucksvollsten Schlossgarten bietet Schloss Villandry. Ein spanischer Arzt rettete diese Anlage vor dem Verfall, restaurierte die Gebäude, Springbrunnen und Terrassen, und liess einen riesigen Garten mit Gemüsebeeten, flachen Hecken, Weinranken und Blumen anlegen. Die unterschiedlichen geometrischen Formen und Linien in den einzelnen Abschnitten ergeben ein erstaunliches Gesamtbild (unten rechts). Der Garten wird mit grossem Aufwand erhalten und gepflegt, in jedem Jahr neu bepflanzt und erweitert.
Im Garten unseres Hotels wurde wir täglich mit einem vier Gänge Mittagessen verwöhnt. In Frankreich wird jede Mahlzeit zum einzigartigen Erlebnis. Die französische Küche zeichnet sich durch einfallsreichste Rezepte, kunstvolle Präsentation der Speisen und besonders frische Zutaten aus. Die feine Qualität der Weine komplimentiert die noblen Kochkünste. Nach dem Hauptgang wird eine reiche Auswahl an überraschenden Käsearten zur Auswahl angeboten. Die Dekoration der Nachspeisen (und natürlich deren Geschmack!) erreicht den Höhepunkt kulinarischer Kreativität. Nur um diese Genüsse zu entdecken, lohnt sich eine Reise durch Frankreich.
Und die Moral von der Geschicht: Die Franzosen sprechen Englisch, auch wenn sie nur ein paar Worte kennen. Wenn man ihnen freundlich entgegenkommt, wir man mit Höflichkeit und Charme belohnt. Wir wurden weder betrogen noch bestohlen. Frankreich zeigte sich von seiner romantischsten, raffiniertesten und festlichsten Seite. Drum höre nicht auf den erschreckenden Donner der Vorurteile, sondern folge dem sanften Licht und gehe deiner sonnigen Wege!