Australien – Zweiter Teil

Queensland's romantische Inseln und unberüherte Küstenparks wechselten bald in kommerzielle, überfüllte Touristenzentren über. Surfers Paradise, ein berühmter Strandort an der Sunshine Küste, ähnelt der Skyline in Chicago. Zwanzig Kilometer Hotelhochhäuser erinnerten uns an die hässlichen Strandlandschaften Florida's. Die Surferszene wird von den langen, hohen, gleichmässigen Wellen ins warme Wasser gelockt. Wir hielten es ganze zehn Minuten am Strand aus. Das Strandliegen begeistert uns generell wenig, vor allem unter der weitaus dünneren Ozonschicht in Australien. Bill musste dann doch in die Wellen springen, und die geringer bevölkertern Gewässer in Tweed Heads erlaubten zwanzig Minuten Spass im Nass sowie ausgiebiges bodysurfing (Bauchsurfen!). Ich habe mich derweil unter den Schutz einer Palme begeben.

Wir erreichten Tropical Fruit World kurz vor "Ladenschluss." Der Besitzer dieser weitläufigen Plantage hat sich auf die Zucht von bekannten und mutierten tropischen Früchten spezialisiert. Und entdeckte bald, das er seine Anlage für einen netten Eintrittspreis als Vergnügungspark verkaufen kann. Wir hatten zu wenig Zeit für den Rundgang, doch im "Gemüseladen" konnten wir allerlei seltener Früchte kosten, eine davon schmeckte wie Schokolade. Die Nacht verbrachten wir auf dem Campingplatz im Mt. Warning Nationalpark, wo wir uns bei gesundem Schlaf in völliger Wildnis auf den Aufstieg zum Gipfel vorbereiteten.

Mt.Warning ist der Kegel eines riesigen Vulkans, welcher vor zwanzig tausend Jahren ungefähr in die doppelte Höhe seiner jetzigen Abmessung (ca. 1500 m) ragte. Ein Ring von kleineren Gipfeln, der Rand des versunkenen Vukans, umschliesst den Krater und sorgt für beeindruckende Aussichten vom Gipfel. Die Sonne lockte uns zeitig aus dem Zelt; der Aufstieg begann gegen 10:00 Uhr. Steine, Wurzeln und Wasser auf dem schmalen Wanderweg verstummten frohe Wanderlieder und verhinderten ein gleichmässiges Tempo. Doch die letzten 200 m warteten auf uns mit dem wahren Härtetest. Glatte Felsen ragten fast senkrecht in den Himmel und konnten nur an Ketten bestiegen werden. Wir haben uns gegenseitig ermutigt, angetrieben, gelobt, und dann die Belohnung einer traumhaften Aussicht genossen. Die sechsstündige Wanderung hinterliess die alternden Knochen und Muskeln in puddingartiger Verfassung. Doch das konnte unsere Siegesgefühle kaum unterdrücken.

Wir entschlossen uns sogar, für vier Stunden weiterzufahren und am Morgen den nächsten Nationalpark zu besuchen. Dorrigo National Park liegt ca.100 km im Innland. Ich fand eine enge, ungepflasterte Strasse, welche für die Hälfte der Strecke andauern sollte. Bill übergab mir das Steuer und erlitt jede Menge Angstanfälle während ich direkt neben dem Abgrund um die Serpentinen kroch. Die Anstrengung der Fahrt und der Tour am Vortag bedingten lähmende Müdigkeit. Wir haben das Auto nur für Kaffee, den kurzen Weg zur Aussichtsplattform auf den spektakulären Daranga Wasserfall und für 100 m Hochweg durch die Baumkronen des Regenwaldes verlassen.

Mit Interesse an Tauchmöglichkeiten im Sanctuary Islands Marine Park (die Anemonen Bucht in diesem Unterwasserpark soll die artenreichste und dichteste Seeanemonenbevölkerung in der Welt haben) beschlossen wir, in Coffs Harbour das lokale Tauchunternehmen aufzusuchen. Der Besitzer, welchem der Hochdrucksauerstoff wohl zu Kopfe gestiegen ist, prahlte ohne Pause mit den tödlichen Haiunfällen in Australien und verwies uns dann an die Konkurrenz. Wir verliessen den Raum voller Vorfreude auf unser nächstes Taucherlebnis!! Am anderen Morgen sind wir trotzdem zu dem empfohlenen Tauchshop gefahren. Die Wetteraussichten waren nicht überzeugend genug, um uns für einen weiteren Tag in der Gegend zu halten.

Auf Stradebroke Island hatte sich das Warten nicht gelohnt. Unser dortiger Tauchmeister Dave hatte uns einen weiteren Tauchstandort empfohlen: South West Rocks. Wir erzählten dem Besitzer des dortigen Tauchunternehmens von unserem Treffen mit Dave und seinen amerikanischen Freunden. Die drei waren inzwischen weitergereist und entledigten sich in den Unterkunftsräumen gerade ihrer Tauchanzüge. Nach lautstarkem Hallo beschlossen wir den verregneten Nachmittag in der gemütlichen Dorfkneipe zu verbringen, wo unsere internationale Besetzung für einige Aufregung sorgte. Das gute australische Beer brachte laute Unterhaltung, gemeine Witze und viel herzliches Lachen in Gang.

Die berühmte Tauchstelle nahe der Ortschaft heisst Fish Rock Cave. Der grössere Felsen mit einer ca. 100 m langen Unterwasserhöhle lockt Haie, Blaue Grouper und endlose Fischschwärme an. In der Höhle kann man bunte Schwämme, Krebse und Anemonen entdecken. Wir hatten wohl wieder zu hohe Erwartungen! Die hohen Wellen am nächten Morgen verstimmten meinen Mangen in nur wenigen Minuten auf dem Wasser. In diesem Zustand konnte ich auf keinen Fall tauchen. Bill hatte am Vortag wohl doch ein Bier zu viel getrunken und lehnte den ersten Tauchgang ebenfalls ab. Ganz tapfer nahm er den zweiten Sprung in die kalten Wellen, konnte sich dann aber nicht überwinden, durch die Höhle zu schwimmen. Dafür hat er jede Menge grosse Fische und einen gewaltigen Nurse Hai sehen können.

Ohne das erhoffte Taucherlebnis war ich wohl recht begierig, uns noch an diesem Tag ins Hunter Valley (Tal) zu fahren. Bill konnte sich derweil im Auto von all den Strapazen erholen. Die Weingegend Hunter Valley hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem beliebten Ausflugsort entwickelt. Eine reiche Auswahl an Pensionen und Bungalows zwischen den Weinreben überzeugte uns schnell, die nächsten zwei Nächte in einem richtigen Bett zu schlafen. Nach zwei Wochen Camping genossen wir den komfortablen Luxus einer privaten Zedarhütte umgeben von Weinreben, blühenden Wiesen und rauschenden Bächen. Der Besitzer warnte uns vor Spaziergangen durchs hohe Grass: beide Arten der hochgiftiger australischen Schlangen (schwarze und braune Schlangen) verstecken sich im Dickicht und sind bereit, ihr Territorium zu verteidigen.

Langes Schlafen und langsames Erwachen sorgten für einen späten Start unserer Weintour in Hunter Valley. Die Ruhe und Schönheit der hügeligen Landschaft, die charmanten Cafes und Restaurants, kostenlose Gläser gefüllt mit duftendem Wein - und schon singen die Engelein! Die Sonne kroch zwischen die Reihen gesunder Reben und belebte das saftige Grün. Wir suchten uns vier Weingüter aus, verweilten jeweils für lange Gespräche über Weinbau und dieses Anbaugebiet, tranken jede Menge erstklassigen Wein und kauften vier Flaschen für die nächste Woche. Unser Pastaabendessen in der Hütte haben wir mit einem wunderbaren Pepperwood Gewürztraminer abrunden können. Wir verbrachten zwei weitere informative Stunden am nächsten Morgen mit einer reizenden Winzerin bevor wir in die Blue Mountains weiterfuhren.

Ich hatte bereits eine Hinterlandstrecke ausgesucht, um die langweilige Autobahn zu vermeiden. Die Fahrt führte durch ein verlassenenes Flusstal, umgeben von  Sandsteinfelsen und dichten Wäldern. Eine gelegentliche Pferde- oder Schaffarm nutzt die saftigen Wiesen neben dem Strom. Die Blue Mountains, ein riesiges Sandsteinplateau, befinden sich ungefähr eine Autostunde westlich von Sydney. Die fast senkrechten, ausgewaschenen Sandsteinwände (200 bis 300 m hoch) formen beeindruckende Canyons ähnlich dem Grand Canyon in der USA. Allerdings fällt in den Blue Mountains jede Menge Regen, welcher den Regenwald in den weiten Tälern ergrünen und fantastische Wasserfälle die steilen Wände hinunterstürzen lässt.

Auf später Suche nach einem Motelzimmer fanden wir ein uriges Restaurant, The Swiss Cottage, Die Schweizer Hütte. Zu dem erstklassigen Essen tranken wir eine der exzellenten Flaschen aus Hunter Valley. Die meisten Restaurants in Australien erlauben den Gästen, eigenen Wein mitzubringen. Eine grossartige Idee! Wir waren vom schweiz-französchen Essen und der gemütlichen Atmosphare so begeistert, das wir am nächsten Abend ein weiteres Festmahl mit einer Flasche rotem Sekt genossen. Den Tag hatten wir bei herrlichstem Wetter mit einer straffen Wanderung ins Tal und dann über 900 steile Stufen zurück auf's Plateau verbracht. Die physischen Strapazen mussten belohnt und die imposanten Aussichten in drei riesige Canyons begossen werden! Am Morgen fielen Regentropfen auf unser Zelt. Wir verzichteten auf die geplante Wanderung und zogen in die Grossstadt ein. Sydney's Stadtansichten sind sicher die bekanntesten Bilder Australiens.

Ohne jegliche Hotelplanung haben wir uns für die erste Nacht im Vorort Parramatta niedergelassen. Sydney's berühmter Hafen wird von mehreren Flüssen gespeist, einer davon fliesst durch Parramatta. Ein hübsches Fährschiff brachte uns auf dem 90-minütigen, sehenswürdigen Wasserweg in die Innenstadt, wo wir den Abend mit Spaziergängen durch den historischen Stadtteil The Rocks verbrachten. In diesen engen, reizenden Strassen befindet sich ein grossartiges Informationszentrum. Die nette Infodame fand für uns ohne Umschweife ein preiswertes Hotel in der Innenstadt. Den wahren Grund für das "Sonderangebot" entdeckten wir am nächsten Tag. Das Hotel befand sich in Sydney's Rotlichtviertel. Wir konnten die gewisse Strasse allerdings umgehen und waren dafür mit Preis und Nähe zum Zentrum zufrieden.

Die Fahrt vom Vorort in die Stadt führte direkt am neuen Olympiazentrum vorbei. Die überwältigende Architektur gleicht einer Stadt aus der Zukunft. Wir sind überzeugt, dass Sydney der perfekt Gastgeber für die Olympiade 2000 ist. Am Nachmittag besuchten wir China Town, den liebevoll angelegten Chinesischen Garten, und Darling Harbour (Hafen), eine moderne Promenade mit Unmengen Restaurants, Geschäften und Vergnügungstätten. Vom Dach unseres Hotels genossen wir den Sonnenuntergang und die erleuchtete Skyline.

Den folgenden Tag verbrachten wir fast ausschliesslich im Botanischen Garten, wo die fliegende Füchse - auch Fruchtfledermause genannt - zu Hunderten in den Baumen hingen. Wir haben deren Konversation, Babies und Flug lange beobachtet. Die Schreie und Überflüge der wunderschönen weissen Riesenpapageis (im Englischen Cockatoo - leider weiss ich den deutschen Namen nicht) haben den Fledermausen allerdings Konkurrenz geboten.

Eine dichte Wolkendecke erlaubte einen Museumstag. Das Kunstmuseum bot eine erstklassige Sonderausstellung von Zeichnungen von der Renaissance bis zur Moderne, grösstenteils von der Hand bekannter Meister wie  Michelangelo, Rubens and Leonardo da Vinci. Bereits kulturell inspiriert haben wir am Abend das berühmte Sydney Opera House besucht und ein Konzert des Sydney Philharmonic Orchestra erleben können. Der russische Abend wurde mit Strawinski's kompletter Ballettmusik "Der Feuervogel" beendet. Das kraftvolle Werk mit voller Orchesterbesetzung hat das Publikum aus den Sitzen gerissen. Die fantastische Akustik des Hauses trug sicher zur überwältigenden Klangfülle bei. Das Sydney Opera House ist wahrlich eines der interessantesten und bemerkenswertesten modernen Bauwerke.

Eine dreistündige Bootsfahrt durch den Sydney Harbour haben wir uns für den letzten Tag und sonniges Wetter aufgehoben. Die informative Hafentour brachte uns in einige versteckte Seitenarme. Der Sydney Harbour gilt als der schönste Hafen der Welt und verdient seinen Ruf mit Recht. Die hügeligen Ufer bieten einen tollen Blick auf das Wasser, die Stadt und den reichlichen Segel- und Motorbootverkehr, und haben sämtliche Millionäre des Landes und der restlichen Welt angelockt. Die Villen mit riesigen Fenstern, gigantischen Verandas und feinen Gärten drängen sich dicht; die Yachtplätze sind begehrt und begrenzt. Am Abend trafen wir uns mit einem netten Pärchen, eine Bekanntschaft von Heron Island, und verpeisten ein köstliches Fischmahl unterm Sternenhimmel. Ein schöner Abschluss unserer Zeit in Sydney! Wir sehnten uns bereits wieder nach der Ruhe der Natur, verliessen erneut das Festland und flogen weiter nach Tasmanien.